Schmerzen verstehen: Akut oder chronisch? Arten von Schmerzen, Ursachen & Therapie mit Medikamenten

Schmerz erfährt fast jeder Mensch täglich. Er hat eine sehr wichtige Warnfunktion und gibt genau wie Hunger und Durst Auskunft über den momentanen körperlichen Zustand. Wird der Schmerz chronisch, ist er dagegen eine eigenständige Krankheit. Er hat sich verselbständigt und seine Warnfunktion verloren. Doch was genau ist Schmerz?

„Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“

So lautet die Schmerzdefinition der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes. Damit wird deutlich: Schmerzen sind eine subjektive Empfindung, die jeder Mensch sehr unterschiedlich wahrnehmen kann. Sie müssen nicht notwendigerweise eine körperliche Ursache haben. Auch seelische Belastungen können zu körperlichen Schmerzen führen (psychosomatische Schmerzen).

In Deutschland leiden mindestens fünf Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen. Davon haben etwa 600 000 Menschen eine problematische Schmerzkrankheit und müssten von einem Schmerztherapeuten behandelt werden. Bis sie jedoch den Weg in eine auf Schmerztherapie spezialisierte Praxis oder Klinik finden, dauert es meist viele Jahre. Geschätzt wird außerdem, dass mehr als 500 000 Patienten mit chronischen Schmerzen Opiumabkömmlinge als Medikament (Opioide der Stufe III ) benötigen würden. Aber nur etwa jeder Zehnte erhält sie.

Rückenschmerzen und Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten Schmerzzuständen. Mit zunehmendem Lebensalter nehmen Schmerzen aufgrund von Gelenkverschleiß, Gefäß- und Tumorschmerzen sowie Nervenschmerzen zu.

Ursachen & Risikofaktoren

Akuter Schmerz

Ursachen des akuten Schmerzes sind äußere Verletzungen oder innere Entzündungen. Dieser Schmerz signalisiert, dass im Körper etwas nicht in Ordnung ist. Das schmerzauslösende Ereignis und der empfundene Schmerz stehen in direkter Verbindung. Deshalb wird der akute Schmerz meist als sinnvoll erkannt. Der Schmerz entsteht, weil mechanische (z.B. Sturz), thermische (z.B. Hitze oder Kälte), chemische (z.B. Putzmittel oder Essig) oder elektrische (z.B. Strom) Reize einen Schwellenwert .

überschreiten. Die damit einhergehenden Gewebeschädigungen führen zur Freisetzung sog. Schmerzstoffe. Diese erregen die Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren). Hierbei handelt es sich um freie Nervenendigungen. Freie Nervenendigungen können auch andere Sinnesreize aufnehmen, wie z.B. Wärme oder Kälte. Die Nozizeptoren sind auf die Wahrnehmung und Weiterleitung von schmerzhaften Reizen spezialisierte Nervenendigungen. Sie befinden sich in Haut, Muskeln, Knochenhaut, Gelenken und Kapseln innerer Organe und melden den aufgenommenen Schmerz an das Rückenmark weiter. Dort wird ein Reflex als Fluchtreaktion auf die schmerzverursachende Situation ausgelöst (z.B. Hand von der heißen Herdplatte wegziehen). Außerdem wird der Schmerzimpuls über aufsteigende Nervenfasern in das Gehirn weitergeleitet

Im Gehirn wird die Information über den Schmerz verarbeitet. Einerseits wird die Abwehrreaktion gegen die Schmerzursache koordiniert. Darüber hinaus findet im Gehirn eine Bewertung der Schmerzempfindung statt. Schließlich wird im Gehirn das körpereigene, schmerzhemmende System in Gang gesetzt, wenn die Situation z.B. nach einem Unfall einen handlungsfähigen Organismus erfordert. Der Schmerz wird in einem solchen Fall erst nach Beendigung der Stress-Situation wahrgenommen, da durch die Ausschüttung körpereigener, morphinartig wirkender Stoffe (Endorphine) die Weiterleitung der Schmerzimpulse erschwert und die Schmerzempfindung verändert wird.

Chronischer Schmerz

Als chronisch wird ein Schmerz bezeichnet, der länger als sechs Monate andauert, wobei aber die zeitlichen Grenzen fließend sind und der Schmerz schon zu einem früheren Zeitpunkt chronisch geworden sein kann.

Aus jedem akuten Schmerz kann sich ein chronischer Schmerz entwickeln, da jeder Schmerzreiz in der Lage ist, im Nervensystem bleibende Veränderungen auszulösen. Die Schmerzschwelle kann dadurch so stark erniedrigt werden, dass auch Außenreize wie etwa eine leichte Berührung schon als schmerzhaft empfunden werden. Mitunter „feuern“ die Nervenzellen sogar dann, wenn gar kein Reiz vorhanden ist.

Welche Mechanismen beim chronischen Schmerz ablaufen, ist noch nicht bis in alle Einzelheiten geklärt. Ein wichtiger Risikofaktor ist jedoch der heftige oder über längere Zeit bestehende akute Schmerz, der nicht ausreichend behandelt wird. Zu schwach oder zu kurz wirksame Schmerzmittel haben zur Folge, dass der schmerzkranke Patient immer wieder in seinen Schmerz „zurückfällt“. Abgesehen von den unnötigen Schmerzen und der Gefahr, dass der Schmerz chronisch wird, lädt eine punktuelle Therapie mit schwächeren Mitteln zum Missbrauch ein. Es gibt auch primär chronische Schmerzkrankheiten, bei denen die Schmerzen periodisch auftreten – ein Beispiel ist die Migräne.

Der Schmerzmittelmissbrauch ist ein Faktor, der den Weg in den chronischen Schmerzzustand bahnt. Werden Schmerzmittel zu häufig eingenommen, erniedrigen sie über längere Zeit die Schmerzschwelle. Ein weiterer Risikofaktor für die Entwicklung chronischer Schmerzen ist die frühe Schmerzerfahrung in der Kindheit. Dies wurde inzwischen glücklicherweise erkannt. Doch lange Zeit hielt man beispielsweise eine Schmerzbehandlung bei Frühgeborenen für überflüssig. Um das traumatische Erlebnis zu verringern, wird neuerdings bei Kindern auch eine Schmerzausschaltung vor Eingriffen vorgenommen – z. B. vor Blutabnahme oder Liquorpunktion erhalten die Kinder eine örtliche Betäubung mit Lidocain, das in Form eines Pflasters aufgebracht wird und etwa eine Stunde einwirken muss.

Ursache für Schmerzen bei Kindern sind in erster Linie fieberhafte Erkrankungen, etwa Infektionen im Bereich der Schleimhäute.

Die häufigsten Schmerzursachen beim alten Patienten sind Verschleiß- Erkrankungen (Degeneration) des Bewegungsapparates, Schmerzen durch Gefäßerkrankungen (z. B. periphere arterielle Verschlusskrankheit), neuropathische Schmerzen (z. B. nach Schlaganfall, Polyneuropathie) sowie Tumorschmerzen.

Krankheitsbild

Der akute Schmerz steht in direkter Verbindung mit dem auslösenden Moment. Beispiel: Sie schlagen sich mit dem Hammer auf den Daumen. Dabei passiert zweierlei: Als erstes nehmen Sie einen hellen, spitzen und gut zu lokalisierenden Schmerz wahr, worauf Sie reflexartig die Hand wegziehen. Dies wird als Erstschmerz bezeichnet. Daraufhin folgt etwas verzögert ein dumpfer, brennender oder bohrender Schmerz – der sogenannte Zweitschmerz, der den Erstschmerz überdauert. Die Stärke des Akutschmerzes kann man an der vegetativen Reaktion messen. Der Körper schüttet den Botenstoff Noradrenalin aus, der Herzschlag wird schneller, der Blutdruck steigt zunächst an und kann etwas später schnell abfallen, der Schweiß bricht aus allen Poren und die Pupillen erweitern sich.

Beim chronischen Schmerz fehlen die vegetativen Symptome, wie Schweißausbruch, Herzklopfen und erhöhter Blutdruck. Er besteht meist schon über einen längeren Zeitraum. Die Mehrzahl der chronisch schmerzkranken Patienten im fortgeschritten Stadium, sind depressiv verstimmt. Das leuchtet ein, wenn man sich vorstellt, wie sich ein Mensch fühlt, der immerzu Schmerzen hat ohne Aussicht darauf, dass sich daran etwas ändern wird. Gleichzeitig senken Angst und Depression die Schmerzschwelle. Es lässt sich irgendwann nicht mehr eindeutig unterscheiden, ob ein Patient chronische Schmerzen hat, weil er depressiv ist, oder ob er depressiv ist, weil er chronische Schmerzen hat.

Die Schmerzbewertung oder Schmerzempfindung ist bei jedem Menschen anders. Schmerzen, die ein Mensch als unerträglich beschreibt, empfindet ein anderer als gering. Hierfür wird einerseits die Aktivität des schmerzhemmenden Systems verantwortlich gemacht, andererseits aber auch die persönliche, gefühlsmäßige Schmerzverarbeitung. Dieses persönliche Erleben des Schmerzes lässt sich durch Psychopharmaka beeinflussen.

Die verschiedene Schmerzarten

Die verschiedenen Schmerzarten lassen sich nach ihrer Entstehung und Schmerzqualität unterscheiden:

Nozizeptorschmerz

Beruht auf einer Gewebeschädigung durch äußere Einwirkung (z. B. Schlag, Verbrennung, Quetschung), auf einer Entzündung, auf Tumoren oder auf Koliken. Bei Koliken zieht sich die Muskulatur innerer Organe übermäßig stark zusammen, wodurch es zu einer direkten Erregung von Schmerzrezeptoren kommt. Zum Nozizeptorschmerz zählen beispielsweise entzündliche Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, Wundschmerzen, Zahnschmerzen.

Neuropathischer Schmerz

Neuropathische Schmerzen entstehen durch Schädigungen peripherer oder zentraler Nervenfasern. Beispiele sind: Polyneuropathie, Trigeminusneuralgie, postzosterische
Neuralgie , zentraler Schmerz nach Schlaganfall, Phantomschmerzen, Bandscheibenvorfall, Schmerzen nach Rückenmarksverletzungen.

INFO Trigeminusneuralgie
Sehr heftiger, anfallartig und meist einseitig auftretender Gesichtsschmerz im Bereich des Nervus trigeminus. Oft mit Gesichtsrötung und tränendem Auge verbunden.

 

INFO Postzoster-Neuralgie (Gürtelrose)
Eine Gürtelrose können nur diejenigen bekommen, die als Kind Windpocken hatten. Ursache ist nämlich der Windpockenerreger Varicella zoster-Virus, der sich für immer in den Hüllzellen der Spinalganglien eingenistet hat. Meist bekommen ältere Menschen (60 bis 70jährige) eine Gürtelrose. Es kann sich eine chronische und schwer zu behandelnde Schmerzkrankheit entwickeln, wenn es zu Nervenschädigungen kommt.

Reflektorischer Schmerz

Reflektorische Schmerzen können durch Fehlregulationen oder durch eine Fehlhaltungen entstehen. Beispiele sind Migräne, Spannungskopfschmerzen, Rückenschmerzen oder
Morbus Sudek Info.

Psychosomatischer Schmerz

Schmerz kann auch primär durch eine seelische Belastung ausgelöst werden. Ein Beispiel sind Kopfschmerzen. Da Schmerz gleichzeitig eine große seelische Belastung ist, kann sich beides verstärken, so dass oft nicht mehr genau zu unterscheiden ist, was zuerst da war.

Viszeraler Schmerz

Hierbei handelt es sich um einen Schmerz, der aus den Eingeweiden kommt. Er ist dumpf und schlecht zu lokalisieren. Häufig strahlt er in eine zugehörige „Head-Zone“ aus.

INFO Head-Zonen
Zusammenhang zwischen Hautzonen und dem gleichen Segment zugehörigen inneren Organ. Organ- und Eingeweideschmerzen strahlen aus in bestimmte Hautareale. Ein Beispiel dafür ist der Schmerz bei einem Herzinfarkt, der in den linken Arm ausstrahlen kann oder der Schmerz bei Gallenkolik, der in die rechte Schulter ausstrahlt. Ihren Namen verdanken die Head-Zonen einem Arzt namens Head. Er hat herausgefunden, daß die nervale Versorgung eines Organs und des Hautareals, in das der Organschmerz projiziert, über das gleiche Rückenmarksegment laufen.

Somatischer Schmerz

Der somatische Schmerz wird in einen Tiefenschmerz und in einen Oberflächenschmerz eingeteilt. Tiefenschmerzen stammen aus Knochen, Muskel, Gelenken, Bindegewebe. Er ist eher dumpf, strahlt häufig aus und ist von vegetativen Symptomen begleitet (z. B. Übelkeit, Zittern, Schwitzen).

Oberflächenschmerzen haben ihren Ursprung in der Haut oder Schleimhaut und sind z. B. auf Hautreizungen durch eine Entzündung oder Verletzung zurückzuführen. Sie sind gut lokalisierbar und klingen nach Beendigung des Reizes auch schnell wieder ab.
Die Unterscheidung von Schmerzarten ist in Hinblick auf die Therapie sinnvoll, da manche Schmerzarten auf unterschiedliche Medikamente ansprechen.
Schmerzen lassen sich auch an ihrer Schmerzqualität unterscheiden. Dazu einige Beispiele:

  • Anfallsartiger einschießender Schmerz (z. B. Trigeminusneuralgie)
  • Brennend, dumpfer Schmerz (z. B. durch Nervenverletzungen)
  • Tiefer bohrender Schmerz (z. B. durch Schwellungen verursacht wie z. B. bei Morbus Sudek)
  • Eher dumpfer Schmerz, der dazu neigt auszustrahlen und von vegetativen Erscheinungen begleitet wird (z. B. Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe).

Auswirkungen

Durch eine unzureichende Behandlung akuter Schmerzen kann ein Schmerz chronisch werden. Im Gegensatz zum akuten Schmerz sind chronische Schmerzen oft schwer zu behandeln. Ist die Chronifizierung schon weit fortgeschritten, ist unter einer erfolgreichen Therapie oft nur die Reduktion der Schmerzen auf ein erträgliches Maß zu verstehen.

Ein chronischer Schmerz, der nicht mit Schmerzmitteln behandelt wird, die eine ausreichend starke und ausreichend lang anhaltende Schmerzlinderung bewirken, verleitet zum Schmerzmittelmissbrauch. Chronisch Schmerzkranke nehmen aus Angst vor den immer wiederkehrenden Schmerzen zu viel und zu häufig schwächer wirkende Schmerzmittel – vor allem Mittel, deren Wirkung nur kurz ist, schnell einsetzt und schnell wieder abklingt. Zu einem Missbrauch verleiten auch Mischpräparate, die mehrere unterschiedliche Wirkstoffe oder Zusätze enthalten. Durch eine unzureichende Schmerztherapie sind nicht zuletzt wiederholte Therapieabbrüche, Frust und Konflikte mit den behandelnden Ärzten vorprogrammiert.

Schmerzmittel können auch Schmerzen erzeugen, wenn sie zu häufig eingenommen werden. Typisches Beispiel ist der „Kopfschmerzmittel-induzierte Kopfschmerz“. Es handelt sich um einen dumpf-drückenden Dauerkopfschmerz, der den ganzen Tag über anhält und bei körperlicher Belastung zunimmt. Er wird häufig durch Migränemittel oder Mischpräparate ausgelöst, wenn diese zu häufig eingenommen werden. Beherzigen Sie deshalb folgende Faustregel: „Kopfschmerzpräparate sollten nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht häufiger als zehn Tage pro Monat eingenommen werden. Das gilt für Mono- und Kombinationspräparate.“ Gegen den Kopfschmerzmittel-Kopfschmerz hilft nur ein Schmerzmittelentzug, der sich in Abhängigkeit vom Schmerzmittel unterschiedlich lang hinziehen kann.

Schmerzmittel lindern leider nicht nur Schmerzen. Sie können auch Nebenwirkungen verursachen, vor allem wenn sie unsachgemäß und unkritisch eingesetzt werden. Dazu zählen zum Beispiel Blutungen und Geschwüre (Ulzera) im Magen-Darm-Trakt ( Ibuprofen und andere nicht-steroidale Antiphlogistika, Acetylsalizylsäure), Leberschädigung (z. B. Paracetamol), Nierenschädigungen (z. B. Phenacetin), Atemdepression (z. B. Opioide). Im Kapitel Therapie werden Wirkungen und Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen noch genauer beschrieben.

Ständiger Schmerz macht depressiv und ängstlich. Fast jeder chronisch Schmerzkranke ist zumindest depressiv verstimmt. Depressionen und Angst senken wiederum die Schmerzschwelle, so dass man die Schmerzen verstärkt wahrnimmt. So gelangen viele Schmerzkranke in einen regelrechten Teufelskreis, der mit Ausgrenzung und sozialem Abstieg enden kann. Dieser Teufelskreis lässt sich nur durch eine adäquate Schmerztherapie unterbrechen.

Erkennung & Untersuchungen

Um die Schmerzen erfolgreich behandeln zu können, muss der Arzt die Ursachen herausfinden. Wichtig ist daher, dass Sie die Schmerzen so genau wie möglich beschreiben. Folgende Fragen sind besonders wichtig:

  • Wann haben die Schmerzen begonnen?
  • Wo treten die Schmerzen auf ? (Wichtig: Nicht nur mit Worten beschreiben, sondern mit dem Finger darauf zeigen)
  • Von welcher Art sind die Schmerzen (z. B. dumpf, drückend, ziehend, stechend, ausstrahlend)?
  • Wie häufig treten die Schmerzen auf?
  • Wann treten die Schmerzen besonders häufig oder stark auf?
  • Wie stark sind die Schmerzen?

Da jeder Mensch den Schmerz unterschiedlich erlebt und empfindet, muss der Arzt zu Hilfsmitteln greifen, um den Schmerz objektiv erfassen zu können. Eines dieser Hilfsmittel ist die visuelle Analogskala (VAS). Der Arzt legt dem Patienten ein Lineal mit einer Skala von 0 (schmerzfrei) bis 10 (stärkste vorstellbare Schmerzen) vor. Auf der Rückseite des Lineals kann er die vom Patienten geschätzte Schmerzstärke ablesen. Dies gibt ihm einen Hinweis, wie hoch er das Schmerzmittel dosieren muss und dient gleichzeitig dazu, den Behandlungserfolg zu messen. Auf die Befragung sollte eine eingehende körperliche Untersuchung folgen. Am Befund orientiert sich die weitere Diagnostik.

Bei Kindern und alten Menschen lassen sich Schmerzen oft nur schwer einschätzen.

Gründe beim alten Menschen sind darin zu suchen, dass der Organschmerz altersbedingt nachlässt, so dass der Schmerz in der Frühphase nicht wahrgenommen wird. Alte Menschen scheuen sich ihre Schmerzen bekannt zu geben aus Angst ihre Selbständigkeit zu verlieren. Die Symptome wandeln sich. Statt über Schmerzen klagen sie über schlechten Schlaf oder nächtliches Schwitzen. Auch die Kommunikation kann gestört sein, z. B. durch eine beginnende Demenz, was die Schmerzäußerung beeinträchtigt. Depression und Vereinsamung beeinflussen zusätzlich sehr stark das Schmerzerleben.

Kinder wiederum äußern ihre Schmerzen ganz anders als Erwachsene. Neugeborene sind verfallen, blass oder kurzatmig und äußern heftige Schmerzen nicht einmal durch Schreien, sondern allenfalls durch Wimmern. Das ist auch der Grund, dass man bei Frühgeburten lange Zeit keine Schmerzbehandlung durchgeführt hat.

Ältere Säuglinge hören nicht mehr auf zu Schreien, wenn sie schmerzen haben. Manchmal bemerkt man einen Berührungsschmerz. Ist der Schmerz sehr stark, wimmern sie oft nur noch.

Das Kleinkind äußert sich oft nur ganz allgemein – „das Aua tut weh“, „Kopf tut weh“, „Bauch tut weh“ oder ihm ist übel. Manche Kinder sind aber auch im Alter von drei bis fünf Jahren schon in der Lage mitzuteilen, dass sie Ohrenschmerzen haben, wenn das so ist.

Eine eindeutige Schmerzbeschreibung und -lokalisation ist erst ab dem Schulalter möglich, wobei Kinder mit Schmerzen dazu tendieren sich zurückzuziehen und auffällig ruhig werden.

Therapie

Schmerzmittel (Analgetika Info) stehen mit großem Abstand an der Spitze der am häufigsten verordneten Medikamente. Sie lassen sich unterteilen in die stark wirksamen Schmerzmittel und die schwach bis mittelstark wirksamen Schmerzmittel.
Die Analgetika und unterstützenden Medikamente muss der Arzt entsprechend dem Schmerztyp auswählen.

Schwach bis mittelstark wirksame Schmerzmittel
Hierbei handelt es sich um nichtopioide Analgetika. Sie werden in weitere Gruppen eingeteilt und wirken schmerzlindernd und entzündungshemmend, indem sie die Bildung von Prostaglandin hemmen, einer körpereigenen Substanz, die an der Entstehung von Schmerzen, Fieber und Entzündungen beteiligt ist. Außerdem scheinen sie noch über andere Mechanismen die erhöhte Empfindlichkeit von Nervenendigungen (Nozizeptoren) zu normalisieren.

Zur ersten Gruppe (antipyretische Analgetika vom Säuretyp) gehören die Salicylsäure-Derivate ( z.B. Acetylsalicylsäure). Sie wirken sehr schnell gegen Schmerzen, verursachen jedoch häufig Magenbeschwerden, Sodbrennen und Magenschleimhautblutungen. Schwindel, Ohrensausen, Übelkeit und Erbrechen treten bei höherer Dosierung über einen längeren Zeitraum auf.

Zur zweiten Gruppe (Anillin-Derivate) gehören Paracetamol oder Phenacetin. Die schmerzlindernde Wirkung von Paracetamol und Phenacetin ist relativ schwach. Eine entzündungshemmende Wirkung fehlt weitgehend. Allgemein ist Paracetamol besser verträglich als Phenacetin und wirkt gut fiebersenkend bei schnellem Eintritt der Wirkung. Es ist deshalb auch in den „Fiebersäften“ für Kinder enthalten. Allerdings droht durch eine Überdosierung (bei Erwachsenen 10 bis 15 Gramm pro Tag) die Zerstörung von Leberzellen. Außerdem kann es bei Anwendung über einen längeren Zeitraum zu Nierenschädigungen kommen. Paracetamol und Phenacetin sind frei verkäufliche Schmerzmittel.

Zur dritten Gruppe dieser Schmerzmittel (Pyrazolderivate) gehören Metamizol, Propyphenazon und Phenylbutazon. Metamizol ist stark fiebersenkend und hat auch eine stark schmerzlindernde Wirkung. Es wirkt außerdem entzündungshemmend und spasmolytisch (entkrampfend). Daher eignet es sich vor allem zur Therapie starker akuter Schmerzen (z. B. nach Operationen, Gichtanfall) oder in der Tumortherapie zur Behandlung von Schmerzspitzen. Eine sehr seltene aber schwere Nebenwirkung ist die Agranulozytose (ca. ein Fall pro eine Million behandelter Patienten). Auch mit allergischen Hautreaktionen muss gerechnet werden. Metamizol ist rezeptpflichtig.

INFO Agranulozytose
meist durch Medikamente ausgelöste Erkrankung, die durch das Fehlen von Granulozyten im Blut gekennzeichnet ist. Die Granulozyten sind an der Infektabwehr beteiligt. Typische Krankheitszeichen sind Fieber, Schüttelfrost, schweres Krankheitsgefühl, lokale Lymphknotenschwellungen, Absterben des Schleimhautgewebes (betroffen sind Rachen, Mandeln, Anal- und Genitalbereich) und Absterben von Gewebe in den Atmungsorganen und im Magen-Darm-Trakt.Das auslösende Medikament ist abzusetzen. Bei Behandlung mit Antibiotika und Glukokortikoiden tritt eine Heilung der medikamenteninduzierten Agranulozytose innerhalb weniger Tage ein.

Auch die anderen Substanzen dieser Schmerzmittelgruppe wirken stark fiebersenkend, schmerzlindernd und entzündungshemmend. Wegen der Häufigkeit der Nebenwirkungen müssen Sie vom Arzt verordnet werden.

Die vierte Gruppe umfasst die nichtsteroidalen Antirheumatika (z. B. Diclofenac, Indometacin, Ibuprofen, Naproxen, Piroxicam). Sie wirken schmerzstillend und entzündungshemmend, aber nicht fiebersenkend. Sie werden zur Behandlung von entzündlichen und rheumatischen Erkrankungen der Gelenke eingesetzt. Zu wichtigen Nebenwirkungen der nichtsteroidalen Antiphlogistika zählt die Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut, was zu Magengeschwüren und in selteneren Fällen zu Magenblutungen führen kann. Außerdem sind Wasser- und Elektrolytverschiebungen möglich sowie ein analgetikainduziertes Asthma.

Stark wirksame Analgetika vom Opioid-Typ

Unter dem Begriff Opioide sind Opiate und opiat-ähnlich wirkende Substanzen zusammengefaßt. Opiate stammen chemisch vom Opium ab. Opium wird aus den Kapseln des Schlafmohns gewonnen. Durch Anritzen der Kapsel erhält man einen Milchsaft, der getrocknet wird. Das wichtigste Opiat in der Schmerztherapie ist das Morphium.

Opioide, sind natürliche oder synthetisch hergestellte Substanzen mit einer morphinartigen Wirkung. Sie beeinflussen vor allem den dumpfen, schlecht lokalisierbaren Schmerz gut (z. B. visceralen Schmerz), weniger den „hellen Schmerz“ wie z. B. den neuropathischen Schmerz.

Opioide zählen zu den sogenannten zentral wirkenden Substanzen. Das heißt, sie binden an bestimmte Rezeptoren im Gehirn und Rückenmark. Man unterscheidet zwischen den schwach wirksamen Opioiden und den stark wirksamen Opioiden.

Schwach wirksame Opioide werden in der Therapie chronischer Schmerzen meist mit einem nichtopioid-Analgetikum kombiniert. Lässt sich keine ausreichende Schmerzlinderung erzielen, empfiehlt es sich frühzeitig auf ein stark wirksames Opioid umzustellen.

Übrigens sollten auch stark wirksame Opioide nicht nur Tumorpatienten vorbehalten sein. Sie sind oft notwendig in der Behandlung anderer chronischer Schmerzzustände. Wichtig ist die kontinuierliche Einnahme nach einem Zeitschema.

Beispiele für Medikamente aus der Gruppe der schwach wirksamen Opioide:

Tramadol besitzt etwa ein Zehntel der Wirkstärke von Morphin, die Wirkung tritt schnell ein und hält für 6 bis 8 Stunden an. Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen. Daneben kommt es zu einer Dämpfung verbunden mit einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit, zu Schwindel und Kopfschmerzen.

Vorsorge

Vor bestimmten Schmerzzuständen, die auf altersbedingte Verschleißerscheinungen zurückzuführen sind, kann man sich zum Teil schützen. Bedenken Sie, dass der Knochenstoffwechsel allein durch Bewegung angeregt wird. Durch angemessene und regelmäßige sportliche Betätigung können Sie der Entwicklung einer Arthrose vorbeugen. Degenerative Gelenkerkrankungen wie die Arthrose zählen mit zu den häufigsten Schmerzursachen der Erwachsenen.

Vergessen Sie die Sprüche „ein Indianer kennt keinen Schmerz“ und „Zähne zusammenbeißen“. Heftige akute Schmerzen, die zu lange anhalten und nicht ausreichend behandelt werden, können den Weg in die chronische Schmerzkrankheit bahnen. Andererseits kann auch ein Zuviel an Schonung der Entwicklung von chronischen Schmerzzuständen Vorschub leisten. Das gilt insbesondere für Rückenschmerzen. Versuchen Sie Ihre Muskeln zu kräftigen. Sie nehmen den Gelenken einiges an Haltearbeit ab.

Ein häufiges Schmerzproblem unserer Zeit sind die Kopfschmerzen. Das hat zum großen Teil mit der Lebensführung zu tun. Wer in seinem Beruf vorwiegend sitzen muss, sollte Übungen zur Muskellockerung fest in seinen Tagesplan einbauen. Achten Sie auf ausreichenden Schlaf und übertreiben Sie es nicht mit dem vermeintlichen Entspannungsmittel Alkohol. Alkohol hilft zwar beim Einschlafen, verschlechtert allerdings die Schlafqualität und sorgt für Kopfschmerzen.

Nehmen Sie keine Kopfschmerzmittel um „fit“ zu sein, vor allem keine Kombinationspräparate. Manche gewöhnen sich sehr schnell daran und im Laufe der Zeit erhöht sich die Schmerzempfindlichkeit.

Häufige Fragen

Ich leide unter starken Schmerzen und mein Arzt hat mir Morphium verordnet. Kann ich davon süchtig werden?

Bei Schmerzpatienten kommt es zu keiner Sucht, wie die psychische Abhängigkeit landläufig bezeichnet wird. Er verlangt nur nach dem Morphium wegen der Schmerzen und aus keinem anderem Grund. Beim plötzlichen Absetzen kann es zu akuten Entzugserscheinungen kommen, wenn die Dosis hoch war – doch nur, weil der Körper sich an die Substanz gewöhnt hat. Das ist aber kein Zeichen von Sucht, was leider häufig verwechselt wird. Entzugserscheinungen treten nicht auf, wenn die Opioiddosis langsam reduziert wird.

Mein Arzt hat mir zusätzlich zum Schmerzmittel Kortison verordnet. Welchen Sinn hat das?

Kortison reduziert Schwellungen und wirkt gegen Entzündungen. Es bewirkt eine Druckentlastung und trägt damit zur Schmerzlinderung bei.

Seit mehreren Jahren habe ich Migräne. Früher litt ich unter Attacken, doch seit einiger Zeit habe ich ständige Kopfschmerzen. Woran kann das liegen?
Es könnte sich um einen durch Kopfschmerzmedikamente verursachten Dauerkopfschmerz handeln. Typisch dafür ist, dass keine kopfschmerzfreien Intervalle mehr vorhanden sind. Diese Art von Kopfschmerzen können auftreten, wenn über längere Zeit bestimmte Migränemittel wie z. B. ergotaminhaltige Präparate zu häufig und in zu hohen Dosen eingenommen werden.

Morphiumtabletten verursachen bei mir starke Übelkeit und Verstopfung, Spritzen lasse ich mir nicht gern geben. Welche Alternativen gibt es dazu?

Eine Alternative bietet das Fentanylpflaster. Fentanyl ist ein wesentlich stärker wirkendes Opiat als Morphin, das leicht durch die Haut dringen kann. Es hat eine lange Halbwertszeit, so dass das Pflaster nur alle 72 Stunden gewechselt werden muss. Man kann sogar damit duschen.

Trotz starker Schmerzmittel (Morphiumtabletten) habe ich trotzdem gelegentlich Schmerzen. Welche Möglichkeiten gibt es dagegen?

Zum Kappen der Schmerzspitzen eignen sich kurzwirksame Präparate, deren Wirkung schnell einsetzt und schnell wieder abklingt. Im Gegensatz zum Morphi<um, das nach einem Zeitschema eingenommen werden muss, nimmt man sie bei Bedarf ein. Geeignet sind z. B. Tramadol oder Metamizol.

Wichtige Adressen

Deutsche Schmerzliga e.V.
Roßmarkt 23
60311 Frankfurt
Telefon: 069/29 98 80 75
Telefax: 069/29 98 80 33

Schmerztherapeutisches Kolloquium e.V.
Hainstraße 2
61476 Kronberg
Telefon: 06173/95 56 0
Telefax: 06173/95 56 14

Deutsch Krebsgesellschaft e. V.
Paul-Ehrlich-Str. 41
60596 Frankfurt
Telefon: 069/6 30 09 60
Telefax: 069/63 91 30

Bundesverband Deutsch Schmerzhilfe e.V.
Sietwende 20
21720 Grünendeich
Telefon: 04142/81 04 34
Telefax: 04142/81 04 35