„Bedingt gesund“ bezeichnete der berühmte Diabetes-Forscher Gerhart Katsch den Zuckerkranken und signalisierte damit, dass Diabetiker wie Gesunde am Leben teilhaben können, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Das gilt insbesondere dann, wenn das gewohnte heimische Milieu verlassen wird – wie bei Urlaubsreisen in die Ferne. Es gibt im Urlaub andere Bedingungen, und darauf muss man als Zuckerkranker vorbereitet sein. Das bedeutet jedoch nicht Verzicht auf alles, was die Reise reizvoll macht. Inzwischen ist es kein Problem mehr, auch als Diabetiker auf Reisen gehen zu können und den Urlaub zu genießen.
Wissen gehört ins Reisegepäck!
Das Wissen um die Krankheit ist ja ohnehin eine wichtige Therapiesäule bei der Zuckerkrankheit. Bei Fernreisen muss daher der Diabetiker möglichst viel über das Zielland und die Reisebedingungen wissen, um sein bisheriges Behandlungsregime anpassen zu können. Dazu gehören:
- Art der Reise (Grad der körperlichen Belastung)
- Klima (Flüssigkeitsverluste durch Schwitzen, Sonneneinstrahlung)
- Ernährung (Hotelessen, Selbstversorgung, landestypische Kost)
- Zeitverschiebung (Medikamenteneinnahme)
- Medizinische Versorgung vor Ort (Notfallversorgung; Arztadressen)
- Verletzungsgefahren (Wanderurlaub)
- Sprachprobleme bei medizinischer Hilfe
Worauf muss ein Diabetiker besonders achten?
- Nehmen Sie – falls Sie Insulin spritzen oder auf Medikamente eingestellt sind – ausreichende Reserven mit, da die entsprechenden Präparate in „exotischen“ Reiseländern nicht immer identisch sind.
- Bewahren Sie stets eine Medikamentenschachtel oder einen Beipackzettel gesondert auf, da bei Verlust mit den Angaben über die Medikamentenzusammensetzung von Apotheken am Urlaubsort am ehesten gleichwertiger Ersatz beschafft werden kann. Geraten Sie aber nicht in Panik, wenn die Medikamente verloren gingen: Der Pharmamarkt ist inzwischen so international, dass eine (zeitraubende?) Beschaffung möglich ist.
- Nehmen Sie – falls Sie selbst Ihren Zuckerspiegel testen – ausreichend Teststreifen mit, da bei den Messprinzipien oft keine internationale Vergleichbarkeit herrscht bzw. keine Teststreifen verfügbar sind.
- Nehmen Sie als insulinpflichtiger Diabetiker genügend Spritzutensilien mit. Die Ersatzbeschaffung vor ort könnte problematisch werden.
- Spritzen im Gepäck irritieren oft die Zollorgane. Legen Sie bei der Kontrolle einen (internationalen) Diabetikerausweis vor, das erleichtert eventuell die Formalitäten.
- Führen Sie stets Traubenzucker bei sich, denn die Reisebelastungen und deren Einfluss auf den Glukosespiegel werden meist unterschätzt (Wanderwege, Koffertragen etc.). Unterzuckerungen können auftreten.
- Vermeiden Sie, frische Insulin-Injektionsstellen der prallen Sonne auszusetzen, da dadurch die Insulinaktivität beschleunigt einsetzt (Unterzuckerungsgefahr).
- Unternehmen Sie körperlich anstrengende Touren nie allen. Informieren Sie eventuell fremde Begleiter über Ihre Krankheit und geeignete Maßnahmen im Notfall.
- Ein besonderes Problem für Diabetiker, insbesondere insulinpflichtige, sind die Zeitverschiebungen bei Fernreisen mit dem Flugzeug. Das beeinflusst einerseits die Termine für die Medikation, zum anderen auch die Stoffwechselsituation, denn der Zuckerstoffwechsel verläuft nicht über den ganzen Tag bzw. die nacht gleichförmig.
Sie sollten allmählich wieder in den Stundenrhythmus des Insulinspritzens bzw. der Medikamenteneinnahme gelangen, die sie auch von zu Hause kennen (z.B. 18 Uhr). Das muss aber über eine Anpassungsphase geschehen. Bei Flügen von West nach Ost wird der Tag „kürzer“. Die Konsequenz: Es wird weniger Insulin benötigt, bzw. eine Zusatzmahlzeit ist ratsam. Bei Flügen von Ost nach West ist es umgekehrt. Eine Zusatzdosis schnellwirkendes Insulin oder einer zusätzliche Tablette können eventuell ratsam sein.
Bei Diabetikern, die nicht auf Insulininjektionen angewiesen sind, müssen die Anpassungsprobleme aber auch nicht überbewertet werden. Es ist nicht dramatisch, wenn der Blutzuckerspiegel ein oder zwei Tage höher als sonst ausfällt.
Über die Dosisanpassung sollten Sie sich jedoch vor Reiseantritt mit Ihren betreuenden Arzt verständigen, da je nach Flugdauer, individueller Situation und Diabetesgrad die Empfehlungen unterschiedlich sein können. - Bei längeren Flugreisen sollten Sie Ihr Insulin (und auch die Tabletten) im Handgepäck mit sich führen. Das verhindert, dass Versorgungsprobleme auftreten, wenn das Gepäck verspätet ankommt. Außerdem können die sehr tiefen Temperaturen in den Laderäumen die Insulinwirksamkeit beeinträchtigen. Zur Problematik der Spritzen bei Zollkontrollen: s. Punkt 5.
- Erkundigen Sie sich vor Langstreckenflügen, ob die Fluggesellschaft evtl. Diabetikerkost als Bordverpflegung anbietet. Häufig kann man diese auch gezielt bestellen.
- Auch bei den Hotels vor Ort bzw. dem Reiseveranstalter können sie erkunden, ob bei Halb- bzw. Vollpension Diabetikerkost möglich ist.
- Achten Sie als langjähriger Diabetiker mit bereits möglichen Nervenschäden (diabetisches Fußsyndrom) am Urlaubsort peinlichst genau auf kleine Verletzungen (Blasen, Schnittwunden). Sie können zu schweren Entzündungen führen, ohne dass Sie es wegen der verminderten Empfindlichkeit rechtzeitig spüren. Sie sollten vor allem mit dem Barfußlaufen vorsichtig sein.
- Überprüfen Sie, ob Sie eine ausreichende Reiseversicherung haben. Es gibt auch spezielle Versicherungen für reisefreudige Diabetiker.
Wann sollte vor Ort ein Arzt konsultiert werden?
Wenn Zeichen einer deutlichen Unterzuckerung (Schweißausbrüche, Herzjagen) auftreten, ohne dass die Ursache klar ist (zu lange Nüchternphase, körperliche Überanstrengung), muss der Blutzuckerspiegel kontrolliert werden und eine Therapieanpassung erfolgen.
Auch bei Verletzungen und Entzündungen ist ärztlicher Rat erforderlich, da bekanntlich bei Zuckerkranken das Infektionsrisiko erhöht ist. Besondere Vorsicht ist bei Fußverletzungen geboten.
Tritt Fieber auf oder ist Bettlägerigkeit nötig, muss eventuell die Insulindosierung adaptiert werden. Generell sollten Zuckerkranke rascher als Stoffwechselgesunde ärztliche Konsultationen in Anspruch nehmen, wenn es im Befinden zu Auffälligkeiten kommt.
Wann sollte vor Reisebeginn ein Arzt konsultiert werden?
Generell sollte bei Fernreisen oder Touren mit besonderen Risiken mit dem betreuenden Arzt über die Reiseabsichten gesprochen und das Therapiekonzept gemeinsam festgelegt werden. Bei Patienten mit bereits bestehende Komplikationen (Nierenschäden, Durchblutungsstörungen, diabetisches Fußsyndrom u.ä.) ist die ärztliche Reiseberatung unerlässlich. Auch diabetische Dialysepatienten müssen nicht auf Urlaubsreisen verzichten.
Es gibt bereits die Möglichkeiten, auch an Urlaubsorten die künstliche Niere nutzen zu können. Hierfür sind jedoch Vorabklärungen unbedingt notwendig.
Beachten Sie auch: Der häufig gemeinsam mit dem Diabetes auftretende Bluthochdruck kann sich einerseits im Reisestress verstärken, bei der Ruhe eines Badeurlaubs dagegen sogar bessern. Auch hier sollten ärztliche Konsultationen zum richtigen Verhalten raten.
Tipp:
Notfalls kann eine telefonische Kontaktaufnahme aus dem Urlaubsort zweckmäßig sein, nehmen Sie daher die Telefonnummer Ihres Arztes mit (aber bedenken Sie bei einem Rückruf die lokale Zeitverschiebung!).